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Der letzte Tango

Der letzte Tango

Allmähliche Dunkelheit im Saal. Langsam verebbt das Murmeln der Stimmen. Der Raum umhüllt von einer atemlosen Spannung. Stille. Leere. Nichts. Bis in die Dunkelheit hinein zarte Gitarren-Klänge neue Welten erhellen. Herzen, die sich öffnen. In unendlicher Ruhe erleuchtet ein warmes Scheinwerfer-Licht den einsamen Mann auf der großen Bühne. Verschmolzen mit seinem Instrument – die Verlängerung seiner Seele. Den eigenen Tönen lauschend und sie in eine Melodie führend. Dur. Das verrät einen lebensfrohen Blick in die Welt. Morgenröte. Sanft beginnt ein treibender Rhythmus zu fließen. Ein Tango. Wie vom Klang der Sonne wach geküsst.

 

Der Mann auf der Bühne – aus einer anderen Welt. Argentinia. Eleganz, Fernweh, Weite. „Don’t cry for me, Argentina. In Wahrheit habe ich dich nie verlassen. (The truth is I never left you.)“ Ein Hauch von Melancholie spiegelt sich in seinen warmen Augen wider. Die Heimat so weit. Das Zuhause so kalt. Goldene Wärme und Herzlichkeit vermischen sich mit einer liebenswürdigen Schüchternheit. Die Seele strahlt hell aus den großen dunklen Augen. Weil sie nicht anders kann. Silberne Strähnen durchziehen die einst schwarzen Haare. Die vollen Lippen lassen ihn weich und sanft erscheinen. Die Gitarre erzählt von den Welten in ihm. Mehr als seine wohlklingende Stimme. Ein ruhiger Glanz umschlingt ihn mit einem warmen Licht.

 

Der Gitarrist – ein Künstler des Gehens im Tanz des Seins: Tango – das gesamte Leben in seiner kürzesten Form. Wie dessen geraffte Version: Der Tanz um die eigene Achse in Umarmung mit dem Partner. Im Pulsschlag der Musik, des Atems und des Lebens. Jeder Schritt neu geboren aus der Umarmung zweier Menschen in Ein-Klang. Zusammen-Klang. Die Umarmung leicht und frei – eingerahmt die Frau vom Mann. Wie ein lebendes Kunstwerk schweben sie durch Raum und Zeit.

 

Ein gemeinsames Spiel um die Balance zweier Menschen. Ein jeder in seinem Lot. Die Herzen verbunden. Anfang und Ende aller Kommunikation. Auch im Tanz. Vereinigung in der Musik. Hingabe an den Tanz. Vielleicht eine sanfte Berührung des Fußes, eine spannende Verzierung, die das Bein des Partners umspielt. Gemeinsamer Genuß.

 

Loslassen des Verstandes, Zulassen des puren Seins. Ich schließe meine Augen. Gebe mich Dir hin. Du führst, ich folge. Im geschützten Raum des Kreises. Dein Herz pulsiert. Es strahlt. Und ich folge seinem Licht, lasse meine Bewegungen fließen, sanft wie das Plätschern eines Baches. Dein Licht, das ich nur sehen kann, weil mein eigenes Licht Dich erhellt. Wir beginnen zu schweben. Zu fliegen. Spiralförmig verweben sich unsere Bewegungen immer weiter ineinander. Im Rhythmus der Musik. Ich vertraue Dir. Und Du vertraust mir. Meiner eigenen Balance, meiner Eigenständigkeit, meinem Einlassen und meinem Öffnen des Herzens. Du führst mich in eine andere Dimension. In eine Verbindung unserer Seelen im Tanz unserer beiden eigenständigen Körper. Tango – elegant, sinnlich, erotisch. Vor allem aber: zutiefst berührend.

 

Danke. Daniel. Tanguero. Tänzer und Gitarrist. Du hast meine Seele berührt. Ein einziger Tango mit Dir. Der letzte Tango. Du bist in eine andere Dimension getanzt. Möge Dein Licht weiter scheinen in unser Hier und Jetzt.

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Kommentare: 2
  • #1

    Der Tod (Freitag, 23 August 2019 21:50)

    ich bin das Gegenteil des Kompromißes, ich bin das Absolute,
    das Ende aller Illusionen und Lügen, ich bin die Wahrheit.
    Man betet Litaneien, ich möge der blonde Engel sein, der
    dumme Touristen ins Paradies geleitet,
    wie naiv, die Kochbuchidylle von unschuldigen Hausfrauen und
    genormte Leistungsträger.

    Ich bin der Tod, das Ende, vielleicht,
    oh no! Oder doch Erlöser der Dummen und Verbrecher?
    Absolution der Zyniker,
    Widerspruch der Hoffnung,
    Göttlichkeits des Nichts.

    Deike,

    Frau, Aufgabe, Frage, Gewissheit.
    Schriftstellerin des Herzens, Beutestück des Todes,
    Geliebte des Lebens.
    Worte, nichts als Worte, Codizes des Wissens,
    Symbole des Geistes,
    Engel des Todes.

    Zauberformeln des Lebendigen,
    unverwundbar


  • #2

    Der Anarchist (Freitag, 06 September 2019 04:18)

    Gibt es Gott?
    Gibt es ein Leben nach dem Tod?
    Gibt es die Liebe?
    Nein, nur der Augenblick zählt,
    Die Summe allen Seins.
    Alles Andere sind Utopien menschlicher
    Angstbewältigung angesichts des Sterbens.
    Der Atem weiß, dass er augenblicklich ist.
    Die Liebe weiß, dass sie mìt dem letzten Schrei stirbt.
    Das Tier ahnt, dass es seine Fortpflanzung sichern muss.
    Göttlich bleibt aber nur der verhauchènde Moment.
    Wenn das der Mensch mit Absolutheit wüsste,
    Müsste er augenblicklich alles ändern.
    Nichts bliebe, wie es einmal war.
    Und ewig dreht sich das Rad des Unendlichen.